New Age
Letztes Wochenende gelang Mirko Breckner und Felix Fromm jeweils eine freie Begehung des Kammerlander Klassikers „New Age“ (10-) im Rätikon.
Felix Fromm in „New Age“ (10-)
Nachdem unser Vorhaben am 12. und 13. September einen Vorstoß in Alpines Neuland ums Hallanger Haus zu wagen aus diversen Gründen gescheitert ist; unsicheres Wetter, die halbe Meute reißt noch ordentlich in Südafrika an, etc. blieben nur noch Mirko und ich übrig um ins Gebirge zu fahren. So entschieden wir, trotz heikler Wetterprognose, uns ins Rätikon zu wagen.
Zwei Wochen zuvor war ich schon zusammen mit Alexandra Schweikart dort unterwegs, um mal in den Kammerlander Klassiker „New Age“ von 1989 reinzublicken. Fast einen kompletten Tag haben wir gebraucht um uns die teils spärlich abgesicherte Tour nach oben zu würgen. Ein ordentlicher Abgang auf dem Weg zum Umlenker der ersten Seillänge, heikle Aufrichter in Platten weit überm Haken, meist erstmal ordentlich vom Standplatz wegklettern und immer aufs Neue der Weg ins ungewisse zermürbten unsere Nerven bis wir schließlich völlig fertig den Gipfel erreichten. Aber es waren alle Schlüsselpassagen geknackt, die Linie gefunden und beim nochmaligen gedanklichen Durchklettern der Tour schien ein kompletter Durchstieg möglich. Doch am darauf folgenden Tag war an kein erneutes Einsteigen zu denken…
Samstags früh erwachten wir, sahen kaum 50m weit und Mirko quälte seinen Bus die letzten Kurven zum Grüscher Älpli hoch die wir am Vortag nicht mehr bewältigen konnten. Gegen 11 standen wir dann am Standplatz der ersten Seillänge. Diese befindet sich schon auf etwa 100m Wandhöhe. Erreichbar entweder über eine Nachbartour oder eine ätzende Fixseilquerung. Wir entschieden uns für letzte Variante um etwas an Kraft zu sparen.
Das Wetter versprach nichts Gutes. Kein Stückchen blauer Himmel in Sicht und immer wieder durchziehende Wolken, hoffentlich bleibt es so unangenehm aber dafür trocken. Die erste Seillänge im 8ten Grad forderte mich komplett, hat aber gerade so hingehauen. Immer diese Kaltstarts… . Die darauf folgende 9er Länge lief eigentlich schon viel sicherer und gelöster an, doch nachdem die schwierigen Stellen schon hinter mir waren hatte ich keine Ahnung wie ich zwei Wochen zuvor den Übergang aus der leicht überhängenden Wand in die Platte gelöst hatte. Schwups rutscht der linke Schuh und ich sitze im Seil. Das hat natürlich sehr am Selbstvertrauen und der Kraft geknabbert. Der nächste Go nach kurzer Pause um nicht auszukühlen brachte mich dann aber doch noch Sturzfrei zum kommenden Standplatz.
Die dritte Seillänge stellt den Schlüssel zum Erfolg dar. Ist das kleine Dach mit der Boulderstelle überwunden sollte nichts mehr schief laufen. Am Dach angekommen wusste ich gar nicht wie ich mich zu fühlen habe. Zwei Wochen zuvor hatte ich nicht wirklich das Ganze ausgebouldert, da wir nur noch nach oben kommen wollten. So hatte ich jeden Zug gerade einmal zuvor gemacht und keine Ahnung wie schwer die nächsten Meter am Stück geklettert sind. Doch schwups stand ich in der Platte überm Dach und gleich später hängend im Standplatz. Das wars eigentlich! Die dritte Länge läuft ohne Probleme wie am Schnürchen doch auf den letzten Metern die ersten Tropfen, das darf nicht war sein, es Pisst! So ein Glück dass sich die letzte Länge nach etwa eineinhalb Stunden verkriechen im einzig regensicheren Örtchen sich wieder im kletterbaren Zustand befand. Die letzten Meter nur noch die genussvolle Verschneidung hoch. Die Hakenabstände waren vor lauter „gleich bin ich oben“ vergessen. Juhu geschafft, unfassbar das Ganze!
Doch das Wochenende war ja noch nicht zu Ende. Mirko hatte sich New Age bei meinem Durchstieg im Schlepptau ausgebouldert und musste feststellen: „genau mein Ding, das klettere ich morgen!“ Gesagt getan: Bei etwas grausigerem Wetter, viel Nebel und Wind standen wir zwei Stunden früher als am Vortag mit vom Fixseilgdöns völlig durchnässten Hosen am Einstieg. Mirkos Kaltstart verläuft, wie meiner am Vortag etwas zittrig auf den letzten schweren Metern. Vor der zweiten Seillänge fängt es auch noch an zu nieseln. Wir verharrten am Standplatz in Hoffnung auf Wetterbesserung. Es war verdammt schwer sich warm zu halten trotz langer Unterhose, Daunenjacke, Handschuhen und Standplatzsocken. Mirkos Befürchtungen dass es zu warm wird sind völlig umsonst! Mit zwei Eisklötzen am Bein den 9er Anzugehen war vielleicht keine gute Idee, da man ungern auf dem Weg zum zweiten Haken fallen möchte. Nach kurzem Rückzieher zum Standplatz, erneutem Vorwärmen der Kletterschuhe und meiner Versicherung dass er sich maximal komplett aufschürfen wird und sicherlich kein Knochen zu Schade kommt, wagte er den zweiten Versuch. Gut am zweiten Haken angekommen wurde er jedoch von der Boulderstelle zum dritten gestoppt. Nach gründlichem erneuten Ausbouldern der Schlüsselstelle und auch der Passage danach die mich Tags zuvor noch abgeworfen hatte (dies auch noch am windigen 3er Offset Keil etwa 5m überm dritten Haken!) klappte die Seillänge im Nächsten Go wie von einem Schweizer Präzisionsuhrwerk geklettert.
Vor der Dachschlüsselseillänge dann wieder ewiges Warten auf nachlassenden Wind und dies alles noch mit der Hoffnung auf die ersten Sonnenstrahlen des Wochenendes. Die erste kleine Aufhellung nutze Mirko für seinen Go und wiederholte das Spektakel vom Vortag. Die 10- Seillänger war in der Tasche! Zügig hängte Mirko noch die verbleibenden Seillängen dran um nicht noch von einem erneuten Regenguss doch noch gestoppt zu werden. Am Gipfel noch das letzte Vesper bei „Riders on the Storm“ aus dem Handy verspeist und ab nach Hause, essen und (schön wärs) ausschlafen.