Plattenschleichen im Verdon

Offizielles Felskletter Team des Deutschen Alpenvereins (DAV)

Plattenschleichen im Verdon

Unsere Reise startet am 2. August um 18 Uhr in Stuttgart, am Bahnhof Zuffenhausen, mit dem Ziel der „Gorges du Verdon“. Die Verdon Schlucht befindet sich in den französischen Seealpen und ist sicher eines der beeindruckendsten Klettergebiete Europas.

Das Navi in unserem „Bussle“ zeigt eine Reisedauer von über 10 Stunden und fast 900 Kilometer von Stuttgart nach La Palud, unserem Zielort am östlichen Rand der Provence. Um 6 Uhr morgens zu einem grandiosen Sonnenaufgang erreichen wir schlussendlich den Camping „Municipal“.

Die Einschüchterung:

Nach einer Mütze voll Schlaf sowie einem gutem Porridge gibt es kein Halten mehr und alle wollen den hochgelobten Verdonkalk anfassen. Schnell einigen wir uns auf den Sportklettersektor „Hulk“, eine Grotte, die steile Kletterei an tollem versintertem Fels bietet. Für den Zustieg, der über ausgesetzte, rostige Leitern und einer Seilbrücke über den Fluss führt, sollte man schwindelfrei sein. Empfehlenswerte Routen, die wir geklettert haben, sind „La Peau du Hulk“ 7c, „Les Poils du Hulk“ 7b+ und „Raie du Hulk“ 7b. Wir sind begeistert!

Für die folgenden zwei Tage rät Ole den „Neulingen“ eine Eingewöhnungsphase mit einigen Mehrseillängenrouten in der „Gorges du Verdon“. Lieber erstmal ein paar leichtere Routen machen um sich an den Fels und die Ausgesetztheit zu gewöhnen. Am nächsten Tag fahren wir also von La Palud die „Route de Crête“ hinauf zum „Belvédère de la Carelle“, von wo aus die meisten Touren starten.

Wow, der erste Blick über das Geländer saugt einen förmlich in die Tiefe. Klettern in der Verdon beginnt mit dem Abseilen – man muss nicht erst zwei Stunden zum Einstieg latschen. Das hat natürlich Vorteile, doch es ist auch ganz schön gruselig sich in das Loch abzuseilen. Vor allem muss man ja auch irgendwie wieder hoch! Schon die Routenauswahl und die darauf folgende Suche nach der richtigen Abseilstelle gestaltet sich nicht so sorgenfrei, wie in den heimischen Klettergebieten, die vom Boden aus starten.

Nach unseren ersten Touren wird uns folgendes klar: 

Die Ernüchterung:

  • Die klassische Verdonkletterei ist meistens senkrecht, kleingriffig, an scharfen Tropflöchern und fordert Fußtechnik (Hangelskills bringen einen hier nicht weit).
  • Im August bei 30°C sind keine idealen Bedingungen , aber es gibt Schattenwände, wo man morgens und oder abends klettern kann. Tatsächlich ist es auch gar nicht so schlecht bis um 10 zu schlafen und dann 4 Stunden zu gammeln bevor man loslegt. „Ceüse-Style“.
  • Die Felsqualität ist einfach der Wahnsinn. Mit jeder Abseillänge in die Tiefe der Schlucht wird der Fels rauer. Manche der letzten Seillängen haben schon etwas vom Toprope spulen gelitten.
  • Bei der Bewertung werden keine Geschenke verteilt – also mit etwas Demut die Routenwahl zu treffen, könnte hilfreich sein.

Nach den ersten zwei Tagen steht ein „Rest Day“ an, den wir gemeinsam in der Schlucht verbringen. Bei der Wanderung werden uns die wahren Ausmaße der Schlucht und die Schönheit dieser außergewöhnlichen Landschaft erst so richtig bewusst. Das Wasser ist smaragdgrün und lädt an zahlreichen Stellen zum Baden ein. Zum Ausklang des Tages gibt es dann noch Oles berühmten Pfannekuchen.

Die Erleuchtung:

So gestärkt können wir in den verbleibenden Tagen voll durchstarten. Dabei sind die Highlights (neben einem hängen gebliebenem Seil), eine Begehung der Route „Alix Punk du Verdon“ (10 SL, 7b+, o.s.) durch Ole und Adam. Diese 350m durchgehend steile Route führt durch die „Paroi du Duc“ Westwand, mit perfektem Fels und riesigen Sintern. Eines der besonderen Erlebnisse ist dabei der Stand an der 2. Schlüsselseillänge auf einem Baum, der waagerecht aus der überhängenden Wand ragt (der „Pausenbaum“). Auch die Begehung der Route „Bambino Bambino“ (15 SL, 7a, o.s.) von Moritz und Lucas, sowie eine weitere On-Sight Begehung der Route „Les Marches du Temps“  (10 SL, 7a) von Patrick und Jens wird als unvergessliches Bergerlebnis in Erinnerung bleiben. Daoud und Jakob kämpfen sich durch „Agorgeamoclès“, einer vier-Seillängen 6c mit einem kräftezehrenden 30-Meter 6b+ Riss zum Schluss. Zudem wurde mit „La Demande“ (6a, 320m, 13SL) einer der großen Klassiker von David und Ole geklettert. Das war Davids erste Tradtour und mit vier Kaminseillängen war das ein ganz schöner Sprung ins kalte Wasser. Sauber! Von Adam und Janina wird zu guter Letzt noch der „Dämon“ (7 SL, 7a+) erfolgreich bezwungen. 

Jens in „Les Marches du Temps“ (7a)

Fazit:

Die Kaderwoche in der Gorges du Verdon war trotz der hohen Temperaturen super, sehr erlebnis- und lehrreich. Wir konnten in der Gruppe die richtige Routenwahl mit dem jeweils passenden Kletterpartner bestens abstimmen und profitieren dabei von den Erfahrungen der Anderen.