Der Sonne hinterher – oder so

Offizielles Felskletter Team des Deutschen Alpenvereins (DAV)

Der Sonne hinterher – oder so

Die Entscheidung ein Trainingslager in St. Léger am Fuße des Mont Ventoux zu machen viel erst wenige Tage vor unserer Abfahrt. Nach abwägen anderer Gebiete durch das schlechte Wetter, machten wir (Martin, Hans und ich) uns mit einem deutlich zu kleinen Auto hochmotiviert auf den Weg. Unser Ziel war es am selben Tag das Klettergebiet und einige Routen bei Tageslicht zu sehen, um unsere Vorfreude wenigstens etwas zu besänftigen.

Wir fuhren also, ohne große Pausen zu machen, direkt an das Gebiet das ca. 30 KM östlich von Orange liegt. Bei bestem Wetter und trockenen Verhältnissen zeigte sich das Klettergebiet St. Léger gleich einmal von seiner besten Seite. Wir fanden sofort Routen die uns bestens zusagten und zudem trocken waren, im Gegensatz zu der tropfenden Nordwand.

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Ob wir dieses Glück auch in den nächsten Tagen haben werden?

Zusammen mit der eintreffenden Dämmerung machten wir uns auf den Weg zum Campingplatz, den wir pünktlich mit zu rollendem Eingangstor erreichten. Schon in der ersten Nacht gab es häufig Schauer doch der nächste morgen war wolkenlos. Nach einem kleinen aber feinen Frühstück machten wir uns auf den Weg zum Klettergebiet, das ca. 10 Km entfernt liegt. Nach dem Zustiegs Warm-up machten Hans und Martin „L’assiette c’est plus (7c)“, die ich ihnen aus vergangenen Urlauben empfehlen konnte. Die ersten Projekte, Martin versuchte „Spit bull (8b) „, Hans und ich „Slip Buse (8a/8a+)“ waren extrem nass und folglich auch rutschig, was uns aber nicht von Versuchen abhielt. Am Ende des ersten Tages hatte die Schwerkraft dennoch gesiegt. Am folgenden Tag schaffte ich glücklicherweise „Slip Buse“ trotz halb nassen Fingern.

Das erste Projekt war somit abgehakt und ich stieg bei Martins Projekt mit ein. Hans war zu diesem Zeitpunkt noch etwas unentschlossen welche Tour er projektieren will, man muss dazu sagen, dass er ausdauernde Plattenkletterei bevorzugt, die bei den abdrängenden zwanzig Meter Routen, in denen wir uns im Moment befanden nicht so recht zu erkennen waren. Die nächsten Tage wurden kälter und kälter und nach gefühlten zwei Metern hatten sich meine Finger jedes Mal zu Eiszapfen verwandelt die es zu wärmen galt. Hans und ich hatten beschlossen nach zwei Tagen einen Ruhetag zu machen, was auf Unverständnis von Martin stieß der zwei Wochen keinen Ruhetag machen wollte und meinte er würde trotz schweren Routen nicht schwächer werden.

Ausgeruht und fit wie ein Turnschuh schaffte auch Hans, genauso wie Martin „Slip Buse“. Trotz der Kälte waren sehr viele, genauer gesagt die meisten Touren nass, was die Routenwahl natürlich einschränkte. Martin kletterte am nächsten Tag „Spit Bull“ und checkte zusammen mit Hans ein paar neue Routen aus, die meistens irgendeine pitsch nasse Stelle hatten. Ich versuchte mein neues Projekt „Spit Bull“ weiter, in dem ich inzwischen eine Variante ohne weite Züge gefunden hatte.
Gegen Abend kamen nun auch Jochen und Miri, die ihre Geschwister mitgebracht hatte, an. Ich machte zusammen mit Jochen noch ein paar Go’s die von Mal zu Mal besser wurden. Trotzdem wurde ich immer von meinen eiskalten Fingern gestoppt. Jochen fiel bei seinem Flash Versuch kurz vor der letzten schweren Stelle. Es schien als könne er die Route locker im zweiten Go klettern aber auch er tat sich nicht ganz leicht mit dem Schnapper in eine relativ gute Schale, kurz vor der letzen schweren Stelle. Miri und ihre Geschwister hatten genauso wie wir eine Menge Spaß im unteren Teil des Sektors. Abends auf dem Campingplatz empfingen uns bekannte Gesichter: Sebastian Gerber und Dominik Lutz, die genauso wie Martin aus der Nähe von Mainz kommen.

Für die Nächsten Tage hatte jeder sein Projekt gefunden. Tagsüber was es eiskalt und windig, mit teilweise einzelnen Schauern die aber an der Südwand in St. Léger weniger das Problem sind. Am Ostersonntag, also nach einer guten Woche am Fels begann der Tag traditionell mit der Eier und Osterhasen Suche, die sich komischerweise in unüblichen Höhen befanden.

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Mir ging es schon am Morgen nicht gut, ich hatte Bauch- und Kopfweh und wollte am liebsten im Zelt bleiben. Nachdem wir gegen 12:00 Uhr doch an den Fels gefahren sind wurde es wärmer, und nach dem Aufwärmen war die ganze Übelkeit plötzlich verschwunden. Ich schaffte “Spit Bull“ im ersten Versuch an diesem Tag und auch Jochen konnte einen Versuch später die Tour klettern, nachdem er sich am Vortag einen riesen Hautfetzen am Mittelfinger abgerissen hatte.

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Bis jetzt konnte Martin sein Versprechen halten und knipste jeden Tag mindestens eine 8a. Das Wetter nahm wieder Südfranzösische Temperaturen an, und auch Hans schaffte sein Projekt „Namasté (8a/8a+)“.

Wir waren nun alle bestens eingeklettert und hatten sehr viel Spaß in den extrem schönen Routen von St. Léger, die von Leisten über Löcher bis hin zu Slopern, und von Kurz bis Ausdauergezappel, alles zu bieten haben.

Am Sektor Praniania hatte sich Martin eine einzigartige Linie ausgesucht. Unten schwere Züge im Abdrängenden Gelände und oben eine Ausstiegsplatte mit mega run-out. Keiner von uns wollte sichern und Martin selbst hatte auch Angst die Ausstiegsplatte zu Klettern. Chris Hanke war zufällig auch im Gebiet, wenige Tage vor unserer Abreise, und versuchte einen Flash in „Praniania (8b)“. Die schweren Stellen im unteren Teil der Route kletterte er locker und zügig, doch schon am Beginn der Ausstiegsplatte begann das Nervenspiel. Die unter den Kletterern bekannte Nähmaschine, das unkontrollierende Zittern des Fußes, setze ein. Er wollte seinen Flash aber nicht hergeben und Kämpfte sich immer weiter vom Haken weg in Richtung Umlenker. Weil sich aber zitternde Füße und Reibungstritte nicht so gut verstehen, machte Chris den Abgang aus der Platte und flog ein ganzes Stück. Nichts passiert, aber er meinte er sei so gepumpt, der nächste Versuch ginge frühestens morgen. Gesagt getan, am nächsten Morgen war der zweite Versuch an der Reihe bei dem er die Route locker durchstieg.

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Bei uns allen fielen die Projekte nun immer schneller und wir hatten nicht nur am Fels einen riesen Spaß, sondern auch an den Ruhetagen sowie abends beim gemeinsamen Kochen und Bier trinken. Für die meisten von uns waren es die ersten Seilklettertage in diesem Jahr, nachdem das kalte Wetter eher dem Bouldern den Vorrang bot. Auch die Standheizung in Jochen und Miri’s neuem Bus konnte die erste Belastungsprobe überstehen.

Es waren zwei tolle Wochen in einem Klettergebiet das ich persönlich mit besten Eindrücken weiterempfehlen kann.