Griechenland! – „Pärle nei – Pärle naus“

Offizielles Felskletter Team des Deutschen Alpenvereins (DAV)

Griechenland! – „Pärle nei – Pärle naus“

Auf der einen Seite das türkisblau schimmernde Meer und auf der anderen Seite öffnet sich das Tal. Die Felsen ragen empor, soweit das Auge reicht. Tal aufwärts reihen sich die hohen roten Wände mit unzähligen Sintern und Höhlen aneinander. Genau dazwischen liegt der circa 6.000 Einwohner zählende Ort Leonidio. Das griechische Klettergebiet an der Westküste der Peloponnes ist mittlerweile zu einer der angesagtesten Locations geworden, doch nicht nur die Nähe zu den Felsen lockt Kletterer vom ganzen Globus an. Der Ort Leonidio hat Charme und die Bewohner empfangen die Kletterer sehr offenherzig. Es kommt einem vor, als ob man mitten im normalen chaotischen griechischen Alltagsgeschehen seinen Urlaubs- /Klettertrip verbringt. Anders als in Arco oder auf Kalymnos, wo alles auf den Klettertourismus ausgerichtet ist und man nur von Kletterern umgeben ist. Die Felsen bieten alles, was das Klettererherz begehrt. Von kleingriffiger, senkrechter Plattenkletterei über Mehrseillängenrouten bis hin zu super steilen Sinterdächern ist alles geboten. Ob gemütlicher Plaisirkletterer oder Hardcoremover, hier kommt jeder auf seine Kosten.
In Leonidio ticken die Uhren etwas anders. Seien es die alten griechischen Herren, die eine tiefe Gelassenheit ausstrahlen und sich von nichts aus der Ruhe bringen lassen oder der ungeregelte Straßenverkehr, bei dem die einspurige Straße ohne jegliches Chaos, völlig selbstverständlich in beide Richtungen befahren wird. Und zum Abendessen findet man sich im gleichen Lokal wie die Ortsansässigen wieder, die man bereits tagsüber im Ort gegrüßt hat.

 

Zum Stichwort Essen und Trinken:
Überall in Leonidio und Umgebung stehen Orangen-/Zitronen- und Olivenbäume und ihre Früchte landen direkt im Restaurant auf dem Tisch. Auch die Böden sind sehr fruchtbar, so ist Leonidio beispielsweise für seine Auberginen bekannt. Selbst Brokkoli und Tomaten wachsen in den Gewächshäusern und kommen frisch vom Feld auf den Teller. Nicht zu vergessen all die anderen Köstlichkeiten, die einem als Kletterer im Kampf gegen die Schwerkraft nicht gerade in die Karten spielen.

Hier meine vier Lieblingsgaststätten:

  1. Myrtoon (Fischrestaurant direkt am Meer)
  2. Prytaneion (Pizza, Pasta, Burger, griechische Speisen)
  3. Taverna Mitropolis (traditionelle griechische Küche)
  4. En Leonidio 1904 (urige Pizzeria)
Lecker Schmecker!

Anreise:
Der schnellste Weg ist mit dem Flugzeug nach Athen, dann ab Flughafen circa 3 Stunden mit dem Auto. Zuerst über die Autobahn bis ca. 30 km hinter Korinth und die letzten 90 km Landstraße – insgesamt ca. 240 km.
Alternativ bestünde auch die Möglichkeit, den Bus von Athen zu nehmen, allerdings ist es von Vorteil, vor Ort motorisiert unterwegs zu sein, da viele Felsen etwas weiter von Leonidio entfernt liegen (5-30 Min. mit dem Auto).

Unterbringung:
In einer der zahlreichen Ferienwohnungen oder Apartments oder im Hotel. Man sieht aber auch viele Klettererbusse und Wohnmobile, die entweder über das Festland gefahren sind oder mit der Fähre übergesetzt haben.


Die gut 250 m hohen roten Wände hinter der Stadt laden zum Klettern von Mehrseillängenrouten ein. Ob komplett mit Bohrhaken ausgestattet oder teilweise Trad., von zwei oder drei Seillängen im unteren fünften und sechsten französischen Grad, hin zu acht bis zehn Seillängen im oberen siebten französischen Grad sind viele lange Linien zu finden. Doch kann ich mir kein Urteil über diese Routen erlauben, da ich lediglich mit meiner Sportkletterausrüstung und mit einem Kletterpartner unterwegs war, bei dem, sobald er etwas Luft unter den Kletterschuhsohlen spürt, der Wohlfühlfaktor gegen null geht. Daher beschränkten wir uns auf gut abgesicherte Sportkletterrouten.

In Leonidio gibt es mittlerweile mehr als 30 Sektoren, größtenteils mit sehr guten Hakenabständen und komfortablen Wandfüßen für den Sichernden. Die Kletterei ähnelt stark der auf Kalymnos. Gerade die Hauptsektoren wie Elona oder Mars sind mit Sintern überzogen und laden zum dreidimensionalen Klettern ein. Nicht selten sind x Möglichkeiten für Knieklemmer und No-Hand-Rests zu finden. Auch bequeme Gesamtkörperklemmer oder Sinter zum darauf Sitzen und Ausruhen, erlauben es, genügend Sauerstoff und Kraft zu tanken, um danach für eine Extension der Route gewappnet zu sein. Solche Verlängerungen der Linien sind in fast jedem Sektor zu finden. Sie verschieben nicht selten den Schwierigkeitsgrad deutlich nach oben.

Doch der eigentliche Grund für mich, in den Semesterferien nach Leonidio zu fliegen, war keine Route mit Extension und No-Hand-Rests, nein, das komplette Gegenteil war der Fall. Nachdem ich bereits an Weihnachten mit der Familie zum ersten Mal auf dem griechischen Festland zum Klettern war, wusste ich, dass ich wieder hierher kommen würde. Einerseits wegen des Gesamtflairs im Klettergebiet und im Ort, andererseits wegen der Route, die ich damals leider nicht klettern konnte. Doch nach 7 Klettertagen in Folge wusste ich, woran es gelegen hatte, dass ich immer an der letzten Expresse vor der Umlenkung mit dicken Unterarmen raustropfte.
Jetzt wollte ich mit aufgefüllten Kraftreserven mein Projekt klettern. Die schwerste Route vor Ort, Capricorn, ist ca. 18 m lang, mit 9 Haken versehen und bietet keine wirkliche Schüttelposition. Sie wurde während des Petzl Rock-Trips 2014 von Kilian Fischhuber erstbegangen und damals von ihm mit 9A bewertet. Jedoch wurde die Route inzwischen auf ein Schwierigkeitsniveau von 8c+ angepasst. Nichtsdestotrotz bietet diese Route eine fabelhafte Kletterei und forderte mich heraus.

Ich hatte die Züge der Schlüsselpassage noch im Kopf, doch konnte ich mich nicht mehr so richtig an die passende Trittabfolge erinnern. Während des Einhängens der Expressen tüftelte ich deshalb noch einmal alles genau aus.
Anschließend zog ich das Seil ab und konnte mein Projekt im ersten Go klettern. Somit konnte ich bereits am ersten Urlaubstag die Tour abhaken, frei nach dem Zitat eines schwäbischen Kletterers: „Pärle nei, Pärle naus!“

 

Natürlich muss man nicht schwer klettern, um in Leonidio Spaß zu haben. So findet man zum Beispiel am Sektor Mars super schöne Sinterkletterei ab 6b aufwärts und in den plattigen Routen vom Red- oder Hot Rock kann man sich auch im 5. Franzosengrad in der Sonne amüsieren.

Nach zwei Genussklettertagen, Entspannung und Yoga am Pool, leckerem Essen mit Wein und einem Ouzo als Digestiv juckte es mich dann aber doch schon wieder gewaltig in den Fingern. Dieses Mal suchte ich mir eine der vielen schweren, bisher noch nicht erstbegangenen Routen in Leonidio heraus.

An einen Pausentag war nicht zu denken, denn es waren nur noch drei verbleibende Tage, bis es schon wieder zurück nach Deutschland gehen sollte. Mit dem neuen Ziel vor Augen vergingen die letzten Tage wie im Flug. Den ersten Tag verbrachte ich hauptsächlich damit die Route zu putzen, da sich Flechten und Spinnweben an der Wand, sowie Sand auf den kleinen Leisten befanden. Ein weiterer Tag um die Beta auszutüfteln. Am letzten Tag, als die Griffe und Tritte erkennbar und sauber waren und ich eine mögliche Bewegungsabfolge einstudiert hatte, war es mal wieder der siebte Klettertag in Folge. Weder meine Haut an den Fingerkuppen noch meine Körperspannung wollten bei den maximalen Zügen mehr mitspielen. Wer hätte das gedacht?! So endete der Urlaub mit einem neuen Projekt, welches noch geklettert werden muss. Also freue mich schon wieder riesig auf den nächsten Klettertrip nach Leonidio. Nächstes Mal dann eventuell auch mit dem Mehrseillängenequipment, mehr Haut auf den Fingern und vielleicht mit dem ein oder anderen Pausentag.