Erstbegehung im Tessin: „Pro Touch“

Offizielles Felskletter Team des Deutschen Alpenvereins (DAV)

Erstbegehung im Tessin: „Pro Touch“

Anrücken, andrücken, abdrücken, abrücken! So war der Plan des letzten Kurztrips ins Tessiner Verzascatal.
Bereits letztes Jahr, als ich einmal wieder im Verzascatal unterwegs war, nahm ich die Flussbettblöcke jenseits der bestehenden Sektoren genauer unter die Lupe und entdeckte einige ungekletterte, weltklasse Linien. Diese wurden dann meist zusammen mit Marc Stellbogen geputzt und anschließend geklettert. Doch ein ganz besonderes, für mich sehr schwieriges Dachprojekt musste ich ungeklettert zurück lassen.

Alex in Vecchio Leone
„Veccio Leone“, fb8B

Dieses Jahr bei konnte ich bei den beiden letzten Kurztrips zwar einige geniale Linien recht schnell Wiederholen, darunter auch den Klassiker „Vecchio Leone“ (8b, erstbegangen von Bernd Zangerl), doch dieses zähe Dachprojekt der letzten Saison spuckte mich kontinuierlich am letzten, schweren Schnapper aus.

Direkt nach 6 Stunden ununterbrochener Fahrt im Gebiet angekommen, rannte ich nun hochmotiviert an besagtes Projekt. Etwas Therabandgehampel, Dehnen und die wackeligen Topoutzüge zum aufwärmen gemacht, ging es dann direkt ans Eingemachte. Den Startgriff angezogen, die kompressionslastigen Dachzüge bis zum letzten Zug mal wieder gespult und den vom Fluss abgewaschenen Zielgriff anvisiert konnte ich diesen, zu meiner Überraschung, zum ersten mal solide abhalten. Doch leider hatte das Gesäß dabei deutlichen Kontakt mit dem dahinter liegenden Stein. Und somit war der Versuch sprichwörtlich für den A***. Egal, was einmal klappt, klappt auch zweimal. 20 Minuten Pause, nächster Versuch. Allerdings wurde jeder darauffolgende Versuch deutlich schlechter. Somit sollte an diesem Tag die Linie nicht mehr fallen.
Nach diesem Ganzkörperworkout war erst einmal ein Ruhetag fällig.

Peter Würth wiederholt Blue Lagoon, fb7C+
Peter Würth wiederholt „Blue Lagoon“

Am Tag darauf ging es zum Aufwärmen zunächst an das „Henkelgeplänkel“ (7a, siehe Video 24-4), an dem ich den Linksausstieg am Tag zuvor geputzt hatte und nun erstbegehen wollte. Nach einigen Versuchen in der Sonne ließen sich dann die Züge an flachen, sandsteinartigen Slopern gerade so, „aufs letzte Hemd“ aneinanderreihen. Völlig zerstört toppte ich somit die „Henkelhangel“ (~7a+)(welche mein Aufwärmboulder sein sollte) aus.
Also die sieben Sachen gepackt und zurück ans Projekt. Hier dann wieder das selbe wie zwei Tage zuvor: Startgriff in der Hand, die ersten 7 kompressionslastigen Dachzüge gespult, Letzter Griff… gehalten! (Und diesmal ohne Dab!) Dann nur noch die glatt gewaschenen, blau-weißen Strukturen des Topouts zum sonnigen Plateau rausklettern und das Vercascatal hat mit „Pro Touch“ (8b) einen genialen, neuen Topboulder bekommen.

Neben diesem Boulder habe ich mit meinen Freunden Martin Mayer und Peter Würth noch einige andere ungekletterte und sehr schwierige Boulder versucht. Peter scheiterte nur knapp an einem genialen, sehr athletischen Dachproblem durch ein frei hängendes, blaues Schild. Und massig weitere Blöcke, welche noch Potenzial für die nächsten Jahre bieten sollten, schwirren in meinen Gedanken herum.
Ab Herbst wird hier dann richtig aufgeräumt!

Alex in Pro Touch Alex in Pro Touch

Der Name „Pro Touch“ stand übrigens auf einem Fußball, der vom Fluss angespült, neben dem Startgriff eingeklemmt zwischen den Blöcken hing, als ich die Dachlinie vor zwei Jahren entdeckte. Somit war die Namensgebung bereits klar!

Zur Bewertung:
Verglichen mit anderen Bouldern dieses Schwierigkeitsgrads, welche ich diese Saison klettern konnte (wie „Vecchio Leone“, wofür ich zweieinhalb Tage und unter zehn Versuche gebraucht habe, nahm „Pro Touch“ deutlich mehr Zeit in Anspruch. Allerdings hat sich am selben Tag der Aufwärmboulder „Henkelhangel“ (~7a+) kurz zuvor viel schwieriger angefühlt, als der darauffolgende Durchstieg von „Pro Touch“. Also: schwerer als 8b aber leichter als 7a+…

Und für die Insider noch eine Wegbeschreibung:
Der Boulder liegt vom „Ballermann“ aus ca. 30 Meter Flussaufwärts. Ungefähr auf Höhe vom „Sideeffect“, welches auf der anderen Flusseite liegt.
Gestartet wird in der Hocke (kein Sitzstart) am großen Quarzgriff. Dabben ist, trotz des Namens, natürlich tabu.

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