Castillo de Bayuela: Bouldern im Land des Marzipans

Offizielles Felskletter Team des Deutschen Alpenvereins (DAV)

Castillo de Bayuela: Bouldern im Land des Marzipans

Um 23.°° Uhr nachts am Flughafen Madrids angekommen, machten wir zunächst einmal Bekanntschaft mit der spanischen Gastfreundschaft. Denn die Mietwagengesellschaft hatte sich für uns ein ganz besonderes, verspätetes Weihnachtsgeschenk ausgedacht. Da unser reserviertes Auto nicht vorhanden war, bekamen wir ein etwas kleineres als Ersatz und noch ein zweites dazu. Also zwei Autos zum Preis von einem! Und wegen des doppelten Spritverbrauchs gab es für das Zweite sogar eine Tankflatrate.

Okay, ganz so einfach war es dann doch nicht.
Denn die Mitarbeiter am Schalter rückten erst nach zweistündigem, hartnäckigstem Verhandeln und des Diskutierens überdrüssig, mit der zweiten Karre heraus.


Etwas zu klein geraten: Da bekommen wir unser Gepäck nie hinein!

So ging es nun mit dem kleinen Fuhrpark direkt zum Ziel Castillo de Bayuela, um dort in unserer kleinen Hütte einzuchecken.

Ausgeschlafen ging es am nächsten Morgen direkt zu den Granitblöcken von Castillo. So war jedenfalls unser Plan. Nachdem wir einen Blick in unser kostenloses, aber spanischsprachiges Topo, geworfen hatten, wussten wir genau den Weg; auf Anhieb fanden wir Olivenbäume, Korkeichen und Buschwerk. Das kam uns alles ein wenig spanisch vor. Vielleicht lag es daran, dass keiner von uns des Spanischen mächtig war.


Auf Erkundungstour

Aber glücklicherweise tritt der gemeine Boulderer vor Ort stets im Rudel auf. Und bei der Ausübung des Oberkörper freien Kraftsports ist auch der ein oder andere Laut zu vernehmen. Somit war es für uns relativ einfach, diesen zu orten. Denn wo der typische Kampfschrei „Venga Bicho“ ertönt, können Blöcke samt Boulderer nicht weit sein. Letztere erwiesen sich dann als ausgesprochen höflich und hilfsbereit und führten uns direkt in den angrenzenden Sektoren herum.
Die Linien und Kletterei ähneln hier wohl am ehesten den Blöcken Bishops:
Die meisten Probleme sind an steilen, teils scharfen Graniteiern aus grau gelbem Gestein mit recht kniffligen Topouts. Allerdings befindet sich das ganze Gebiet noch in der Entstehungsphase. Daher ist erst ein Bruchteil des vorhandenen Potenzials erschlossen. Ab und zu stürzte man sogar rücklings, samt Tritt oder Griff vom Block.


Alex in „Muse“, fb7A+

Die nächsten Tage war dann Bouldern, bis die Finger bluten, angesagt. Oft waren auch unsere neuen Freunde und Erschließer des kleinen Gebiets, Fernando, Carlos und Chiqui Arija mit von der Partie. Als Pilot der Luftwaffe sucht Fernando, selbst während seiner Arbeitszeit, nach neuen Blockfeldern, um diese später zusammen mit Carlos mittels GPS zu inspizieren. Ein neues, noch größeres Albarracin, mit mächtigen, roten Sandsteinblöcken, wurde so bereits entdeckt. Allerdings erwiesen sich die tollen Linien dann als vollkommen grifflos und somit für den Matratzensport unbrauchbar.


links: Milena in „Bender“, fb6C+
rechts: Paul in einem Aufwärmmantle

Am Ruhetag machte uns Chiqui das geniale Angebot, ihn in seiner Heimatstadt Toledo zu besuchen.
Oberhalb einer wildromantischen Schlucht gelegen wird diese Stadt mit multikultureller Vergangenheit und arabischen, christlichen und jüdischen Baustilen, als eine der schönsten Städte Europas bezeichnet. Bedeutende, arabische wissenschaftliche Schriften, wie das arabische (bzw. indische) Zahlensystem und die aus Griechenland stammende Trigonometrie, wurden hier im 11. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt und gelangten so erst nach Europa.
Zurück in der Gegenwart präsentierte sich das Ganze jedoch recht touristisch. Glücklicherweise führte uns Chiqui an den zahlreichen Souvenier-, Schwerter- und Marzipanläden, worauf sich Toledo seit Jahrhunderten spezialisiert hat, vorbei. Stattdessen zeigte er uns die besten und günstigsten Tapasbars, eine alte und hervorragende Marzipanbäckerei und ein Café der Unibibliothek mit tollem Blick hoch über den Dächern Toledos.


Toledo

Die letzten Tage bis zur Abreise wurden vor allem die beiden Blöcke „Clinica“ und das „Farallon“ belagert.
Neben zahlreichen Begehungen bis fb 8a, (Axel und Jochen mit „Bender Extension“ und ich mit „Obsession“) gelangen Tom und mir noch einige Erstbegehungen. Hervorzuheben sind Toms „….“, eine sehr hübsche Traverse, welche bei 7b eincheckt sowie von mir „Kaiser Paul“ (7b) am „Farallon“, welches auch Vera, Milena und natürlich Paul schnell wiederholen konnten. Namensgebend für meine Erstbegehung „Los Alemanes en el país del marzapan“ (7c+) am letzten Tag, waren natürlich die vielen kleinen Marzipanbäckereien Toledos.


links: Axel klettert „Covacho gallego“, fb7C+
rechts: Alex flasht eine beeindruckende fb7B+ Linie

Mit jeder Menge Sonne, sehr trockenen, wenn auch teilweise zu warmen Bedingungen sowie steilem Granit und Tapas in Toledo, war es ein sehr genialer Bouldertrip.
Nicht zuletzt durch das stabile Wetter ist Castillo de Bayuela, trotz seiner momentan noch geringen Anzahl an erschlossenen Bouldern, eine durchaus lohnende Alternative zu den üblichen Wintergebieten.

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